Sonntag, 20. Oktober 2019

Regen bei 9/11 ...

20. Oktober

Heute ist Sonntag. Marlis und Erika laufen los und suchen einen Gospel Gottesdienst. Später wollen sie ins Guggenheim Museum gehen, wo ich ja auch schon war.
Am Nachmittag schafft es Marlis sogar noch ins gestern wiedereröffnete MoMa, das es bis in die deutschen Nachrichtensendungen geschafft hat.

Gospel hätte mich zwar auch sehr interessiert, aber ich habe eine Karte für "Top of The Rocks", das heißt ich will auf die Aussichtsplattform des Rockefeller Centers, und die ist mit einer festgelegten Uhrzeit verbunden.
Auch andere sind schon auf dem Weg zur Subway, alleine ist man hier nie.


Heute fährt die Bahn ein wenig anders als sonst. Laute Durchsagen, die anfänglich ständig wiederholt werden, verkünden dass die  Linie 1, die eigentlich als Bummelzug unterwegs ist, heute als Schnellzug fährt und deswegen an vielen Halte- und damit auch Umsteigestellen nicht stoppt. Zum Glück bin ich nicht betroffen.
Aber die Bahn legt jetzt eine nie gekannte Geschwindigkeit auf die Schienen. Alles rattert und flattert, so als würden die Waggons gleich auseinanderfliegen. In die Bremsen tritt der Wagenführer mit Karacho. Ich bin froh, dass ich einen Sitzplatz habe. Das ist ja bei weitem nicht immer der Fall, und es ist sehr selten, dass jemand für einen anderen aufsteht. Ich hatte 2x das Glück.
Die Bahnen bleiben ja auch schonmal mitten im Tunnel stehen. Wenn man dann schwitzend eingekeilt zwischen all den Menschen steht, kann einem schon komisch werden. Es wurde aber jedesmal relativ rasch durchgegeben, was der Grund für den Stopp sei, sodaß man nicht in Panik geraten mußte. Angenehm fand ich es trotzdem nicht, und die Zeit des Wartens kommt einem besonders lange vor..

Ich komme gut an in der City. Ein bisschen kann ich noch herumspazieren.
Heute kann ich endlich meine antibiotische Behandlung beenden, die ich noch auf dem Schiff begonnen habe. Ich hoffe, dass ich dann nicht mehr dauernd lange Erholungspausen bei Starbucks brauche.
Ich bin natürlich wieder am Broadway gelandet. Aber der zieht sich ja unendlich lang durch die Stadt, sodaß sich das kaum vermeiden lässt.


Ein winziges Haus hat zwischen den Hochhäusern überlebt, der Besitzer muss wohl sehr reich gewesen sein oder er hatte einen zahlungskräftigen Unterstützer. Der Pub scheint gut besucht zu sein.


Relativ schnell bin ich auf meinem Weg nach oben auf der Aussichtsplattform des Empire State Buildings,  auf 320 Metern Höhe in der 86. Etage.
Obligatorisch wird man zunächst unterwegs an vielen Infos über die Bauzeit mit viel Ton und Bild vorbei geschleust. Seinerzeit wurde der Bau von seinen Bauherren als so etwas wie ein architektonisches Weltwunder gefeiert.
Danach folgen jede Menge Fotos echter oder vermeintlicher Besucher, wobei Miss Peggy mir am besten gefällt. King Kong war ja in einem Film 1933 tatsächlich auf das Hochhaus geklettert, ob er mit seiner Hand auch die Wand zerstörte, weiß ich nicht.




Das Wetter ist nicht das allerbeste, die Sicht ebenfalls nicht. Da es aber nicht regnet, bin ich voll zufrieden. Schließlich reicht der Blick bis zur Freiheitsstatue und Liberty Island. (die kleinen Pünktchen ganz hinten rechts im Wasser)




Auf dem Ausschnitt oben sieht man sehr gut das Flatiron Building und den Madison Square Park. Beides habe ich schon am ersten Tag in New York besucht. (rot beschriftet, aber kaum lesbar...)
Man kann sich hier oben lange aufhalten, aber irgendwann ist es auch genug.



Nun erwarten einen wieder die Reklametafeln und vor allem der überquellende Souvenirshop, bis man endlich draußen ist.



So ein trübes Wetter eignet sich, um zum ehemaligen World Trade Center zu fahren. Das passt auch stimmungsmäßig. Der Weg ist weit, und ich nehme mir ein Taxi. Auf der Fahrt könnte ich mir eine TV Sendung anschauen, wenn ich denn wollte. Mit Kreditkarte zu bezahlen ist in den Taxen eine Selbstverständlichkeit. Vom Fahrer ist man getrennt, und das Schiebefenster dient wahrscheinlich vor allem seiner Sicherheit.


Schon aus der Entfernung sieht man das derzeit höchste Gebäude der Stadt, das One World Trade Center, welches 2014 eingeweiht und anstelle der am 11. September 2011 zerstörten Doppeltürme erbaut wurde. Das neue "1WTC" ist 541 m hoch.


Der Bahnhof für die Subway befindet sich unterhalb des "Oculus". Er soll der teuerste Bahnhof der Welt sein, wurde 2016 in Betrieb genommen. Das flügelförmige Gebäude darüber, der Oculus, soll einen Phönix darstellen, der sich aus der Asche erhebt.
Drinnen ist der Boden mit weißem Marmor ausgelegt und reichlich teure Geschäfte haben sich eingemietet. Ich finde es interessant, aber drinnen ist es mir zu sachlich kühl.
Von draußen hingegen kann es bei den wechselnden Lichtverhältnissen meine Phantasie anregen.


Auf der Grundfläche der durch Terror zerstörten Türme findet man nun 2 Wasserbecken, in denen das Wasser mittig in ein schwarzes Loch stürzt. Auf den Umrandungen der Becken sind Namen von ums Leben gekommenen Menschen eingraviert.




Eigentlich wollte ich nicht unbedingt hierher kommen, da ich noch immer die Bilder des 11.9. vor Augen habe, und so wundert es mich auch nicht, dass ich sofort das Gefühl habe, ich rieche all den Staub in der Luft, höre den Lärm und sehe das Geschehen. Zum Glück legt sich das Gefühl bald, sonst hätte ich die Flucht angetreten.
Die Symbolik des ins Dunkle fallenden Wassers und die Ruhe, die es ausstrahlt, finde ich sehr passend.





Aus dieser Perspektive wirkt das Oculus eher wie ein Igel. Ganz praktisch ist der leichte Regenschutz, den es den Fußgängern gewährt.


Beim 9/11 Museum herrscht großer Andrang. Aber das will ich mir nicht antun.



Auf seiner Rückseite breitet der Phoenix im Angesicht der Dönerbude seine Schwingen aus. Diesen Döner kann man leider vergessen.


Kaum ein paar Schritte von der Gedenkstätte entfernt geht es schon wieder bunt zu.


In der Trinity Church finden Bauarbeiten statt, weswegen nur eine kleine Nebenkapelle und der Friedhof offen für Besichtigungen sind. Etwas gespenstisch wirkt es wegen des leichten Nebels und des Nieselregens. Die Kirche gilt als eine der ältesten anglikanischen Kirchen Amerikas. Ihre ursprüngliche Größe scheint in der dominanten Umgebung jedoch geschrumpft zu sein.


Gleich draußen gibt es Fast Food von diversen Anbietern und ein paar Marktstände. Wegen des Wetters ist aber keiner darauf erpicht, und so wirkt auch das ein wenig trübsinnig.



Am Bullen muss man vorbei, wenn man zum "National Museum of the American Indian" möchte.







So ein Täschchen für Cocablätter habe ich auch, ich habe es aus Ecuador mitgebracht.



Das Gebäude ist sehr repräsentativ, die Eingangshalle auch. Die Ausstellung hat mich leider nicht überwältigt. Und ich bin nicht die einzige, die es so beurteilt.
Zum Abschied lächeln die beiden Herren hinterher.


Draußen fragt mich eine junge Frau, die zu einem Stamm von Ureinwohnern in Arizona gehört, wie es mir gefallen hat. Sie ist mit Verwandten hier, die Mutter sieht aus, als sei sie eine reinrassige Ureinwohnerin. Bei der jungen Frau kommt es nicht ganz so stark zum Ausdruck. Sie wollen morgen ins Museum, und wir hatten ein sehr interessantes Gespräch.
Bereits im Museum wurde ich von einer indigenen Mexikanerin angesprochen und in ein Gespräch über die Ausstellung verwickelt.
Es regnet so doll, dass ich mir an der Wallstreet ein quietschegrünes Regencape kaufe. Der Verkäufer kommt gar nicht hinterher mit dem Auspacken von Nachschub.


In den Strassen wabert es bei diesem Wetter besonders. Ich bin jetzt auf dem Weg zum World Trade Center und der teuersten Haltestelle der Welt.



Nahebei befindet sich eine Feuerwache, die auch bei der Tragödie 9/11 eine große Rolle spielte. Und um die Ecke sei die Stammkneipe der Feuerwehrleute, erzählt mir eine Frau. Das Lokal, O' Hara's Pub, sei völlig mit Asche und was weiß ich noch allem zugeschüttet gewesen.
Man habe alles freigelegt, und aus aller Welt seien Solidaritätsbekundungen von Feuerwehrleuten eingetroffen. Wände, Decken und alles, was man bekleben kann ist mit Abzeichen aus aller Welt belegt. Sie nimmt mich mit hinein, und es ist tatsächlich kein Plätzchen mehr frei. Der Laden brummt wohl jeden Tag und auch sie selbst, eine Schweizerin, komme regelmässig mit ihrem Mann hierher. Die Atmosphäre sei einmalig.







Ich verabschiede mich und bleibe kurz bei den Mahnmalen, die in der Dämmerung noch eindrucksvoller wirken . Im 9/11 Museum ist noch immer Betrieb.



Durch die riesige Halle des Oculus gelange ich zu meiner Metrostation.
Mit ziemlich viel Kunst in verschiedenen Stationen geht der Sonntag zu Ende.
Ich steige 4x aus und um wegen der Kunst. Heute ist es nicht so voll, da komme ich weniger ins Schwitzen.









2 junge Männer bewegen sich mit großer Geschmeidigkeit im Wagen da, wo andere sich festhalten.  Kaum fährt die Bahn, geht die Musik an, und nacheinander tanzen sie an den Stangen herum, schweben über den Köpfen der Fahrgäste oder hängen kopfüber an der Stange.
Erika hat es auch einmal erlebt, es scheint also öfters vorzukommen. Für mich ist es auch Kunst, zumindest ein Kunststück.


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